Bolivien war wohl eines der faszinierendsten Länder, die wir im vergangenen Jahr bereist haben. Und deshalb gibt es nach bolivianischem Bier und Wein einen weiteren Artikel aus dem größten Binnenstaat Südamerikas. Dieses Mal widmen wir uns dem Nationalgetränk: Singani.
Was ist Singani
Singani ist bolivianischer Weinbrand, der aus der Moscatel de Alexandria Traube destilliert wird. Er ist also das Pendant zum chilenischen bzw. peruanischen Pisco. Erwähnen sollte man diese Ähnlichkeit vor Ort allerdings nicht unbedingt, denn die Bolivianer sind sehr stolz auf ihr eigenes Produkt und ein Vergleich mit den unmittelbaren Nachbarn scheint wenig angebracht. Wahrscheinlich auch berechtigt, denn Bolivien hat seine ganz eigene Weinbrand-Geschichte, die im 17. Jahrhundert begann, als der kleine bolivianische Ort Potosí zu Weltruhm aufstieg. Grund dafür war der schier unerschöpfliche Silbervorrat im etwa 4000 m hohen Berg Cerro Rico. Potosí soll damals größer als die meisten europäischen Städte gewesen sein und gleich nebenan soll es den kleinen Ort „Sincani“ gegeben haben, von dem sich die heutige Bezeichnung für „Singani“ ableitet. Es war kalt und es gab viel und schwere Arbeit zu verrichten, wärmender Alkohol war daher sehr gefragt.
Heute haben vor allem die großen Produzenten die Produktion professionalisiert. Singani wird auf unterschiedliche Weise ausgebaut und verkauft, vom jungen Destillat über Jahrgangsverschnitte bis hin zum im holzfassgereiften Edelbrand. Stets wachsen die Trauben dafür in harschen Bedingungen zwischen 1400 und 3000 m Seehöhe. Schwierige Umstände und zugleich gute Voraussetzung für Komplexität und Eleganz im Glas. Wir haben uns landein-landaus durchgekostet und sind Singani in unzähligen Varianten begegnet:
Singani trinken
Pur hat man uns Singani zB bei Casa Real, einem der größten Singani-Produzenten Boliviens, nahe der Stadt Tarija gereicht. Ihr Prämiumprodukt „Don Lucho“ wird dreimal destilliert und kommt erst nach 15 Jahren auf den Markt. Es präsentiert sich erstaunlich saftig und fruchtig mit Aromen die vorwiegend an Marille erinnern. Campos de Solana ist ebenso im vinophilen Zentrum Boliviens „Tarija“ angesiedelt. Ein traditionsreiches Weingut, das bereits seit dem Jahr 1925 Singani produziert. In geringerer Quantität, aber mindestens genauso beeindruckender Qualität produzieren Roberto Ketter und Evelyn Merida Rocha vom Weingut Marquez de la Viña, nahe der Stadt Cochabamba, Singani.
Gemixt – als Singani Sour (dem bolivianischen Pendant zum peruanischen Pisco Sour) – reicht man uns das Nationalgetränk beim Tanzen und bei Karaoke in der Hauptstadt Sucre. Man erläutert uns auch schnell das hier angewandte Rezept (Crushed Ice, 5 TL Zucker, 2cl Eiweiß, 3 cl Zitronensaft, 3 cl Singani) und wir dürfen gleich selber shaken.
In La Paz reservieren wir einen Tisch im wahrscheinlich spannendsten Restaurant Boliviens, dem Gustu. Als man uns zum Chefs Table führt, um uns dort als Aperitif vier verschiedene Singani-Cocktails zu reichen, ist es um uns geschehen. Und daran ist nicht der charmante und kompetente dänischen Sommelier schuld, der da vor uns steht sondern vor allem die Entdeckung bolivianischer Gewürze, vergessener Gemüsearten und einheimischer Getränke – wie eben Singani – die man uns verspricht. Infused mit Lavendel oder Zitronenverbene, jung oder gereift, gemixt mit Gin und Kirschlikör oder gewürzt mit Limette, Zucker und „Llajua“ (scharfe Sauce) Extrakt. Singani macht sich hervorragend als Cocktail-Basis, mit und ohne Speisenbegleitung.
Bei der Sonnwendfeier im kleinen Dorf Samaipata wird heiße Milch mit Singani gemischt und an die Besucher verteilt. Glühwein auf bolivianisch quasi (nein, kein Kopfweh), denn es ist wirklich kalt hier. So wie in der Salzwüste Salar de Uyuni, die neben einem unglaublichen Naturschauspiel auch nie erlebte Eiseskälte mit sich bringt. In diesem Fall ist wiederum Singani pur, dieses Mal in der Brusttasche und immer zur Hand, genau das Richtige.
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Singani vermeiden
Bolivien ist faszinierend. Widersprüchlich. Anders. Schön. Versteckt. Rau. Unberechenbar. Echt. Bodenständig. Unentdeckt und voller Schönheit. Und so bieten sich auch viele Abenteuer, die man zwar jedenfalls erleben sollte, aber besser ohne Singani: Nach ein paar cl bolivianischen Nationalgetränks sollte man daher weder in dem Bergdorf Potosi Dynamit kaufen, noch im höchsten See der Welt – dem Titicaca See – baden gehen oder die „Todesstraße“ in Coroico mit dem Rad bezwingen. Ebenso wenig sollte man als Pilot in ein Flugzeug steigen, sich beim Frauen-Wrestling in La Paz mit den „Cholitas“ anlegen, sich mit einem Alpaca in der Salzwüste anfreunden, noch sollte man sich in den Silberminen verirren, auf alten Zügen in Uyuni herumklettern oder einem Rudel streunender Hunde in Sucre folgen. Und das ist kein Scherz:
Was man nach ein paar cl Singani aber jedenfalls machen sollte ist, mit den Bolivianern feiern, denn die wissen wie das geht.

Herrlich geschrieben!! Wir sind alle in Bolivien geboren aber seit 30 Jahre in Deutschland, aber beim Lesen waren wir wieder drüben.. danke dafür!
Lieben Gruß! Karolina, Lydia, Frauke und Rolf.