Meine Erwartung von der schneebedeckten Schweiz wurde gänzlich enttäuscht. Also ich bin nicht enttäuscht, nur die Erwartung. Bei bis zu 15° C in der Sonne bekommt man schon fast Frühlingsgefühle, auch wenn dieses Wetter vermutlich nicht von Dauer ist. Wenn man da so in der Sonne sitzt und – selbst ohne Mantel – schwitzt, wird innerlich der Ruf laut, sich ein Gläschen Weißwein zu gönnen. Sommer- oder Terrassenwein nennt man solche Weine gerne. Eine genaue Bedeutung hat das natürlich nicht, aber es geht um die Stimmung. Die Stimmung, die jeder Mensch nachvollziehen und zu der sich jeder den passenden Wein auch vorstellen kann. Als Österreicherin müsste ich jetzt natürlich prompt an Grüner Veltliner denken. Als in der Schweiz Verweilende gar an Chasselas oder eine andere der vielen autochthonen Rebsorten der Region. Aber die Sonne und dazu der kühle Wind, erinnern mich an Spanien. An die grünen, weichen Hügel von Galizien, die von der kühlen Meerluft gestreichelt und von der Sonne geküsst werden. An das Salz, das man beinahe riecht, vor allem aber auch schmeckt – eine Ode an den unterschätzten Albariño aus Rias Baixas.
Einmal gesehen …
Ende November durfte ich erstmal Bekanntschaft mit der nordwestlichen Ecke Spaniens machen. Mit einem Auto und nur spärlich vorhandenen Spanischkenntnissen, dafür aber mit reichlich Motivation, besuchte ich die Küstenregion nördlich des Flusses Miño, der Portugal von Spanien trennt. Hier im Rias Baixas, einer Subregion von Galicien, prägen fjordähnliche Flussmündungen die Landschaft. Das feuchte Klima prägt die Weingärten. Granithaltige Böden prägen die Weine. Albariño ist mit einem Anteil von rund 90 % der Rebfläche in Rias Baixas klarer Vorreiter unter insgesamt zwölf zugelassenen Rebsorten. Nicht jede hat sich so gut an die harschen Bedingungen der Region angepasst. Viel Regen und kühle Winde erhöhen das Risiko von Fäulnis, Mehltau und anderen Pilzkrankheiten und stellen die Winzer jedes Jahr aufs Neue auf die Probe. Wie im angrenzenden Vinho Verde Gebiet, ist auch hier die vorherrschende Reberziehungsform die Pergola-Erziehung. Dieses System hat den Vorteil, dass die Trauben weit weg vom feuchten Boden und dem trocknenden Wind ausgesetzt gedeihen. Zu den Nachteilen gehören vor allem die schwierige und zeitaufwändige Bearbeitung und Lese der Trauben.
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Vor Ort durfte ich vier junge, motivierte Winzer, die dem Wetter trotzen und die vor der vielen Arbeit nicht zurückschrecken, kennen lernen. Ihre Mulitilingualität inkludiert nicht unbedingt die englische Sprache, sehr wohl aber die galicische. Diese lokale Sprache ist stark ans Portugiesische angelehnt und wird von bis zu zwei Dritteln der Galicier als Alltagssprache verwendet. Spanisch Sprechende haben so ihre Schwierigkeiten mit der Sprache. Ich kapitulierte schon bei der Begrüßung. Gott sei Dank sprachen meine Gastgeber auch die Landessprache. Ich kratzte also mein gesamtes Spanisch-Repertoire aus, um mir von Xurxo Alba (Weingut Albamar) die Region, von Manuel Moldes (Weingut Fulcro) die Böden, von Silvia Prieto (Weingut Nanclares y Prieto) die Weingärten und von Angel Camiña (Weingut Forjas del Salnés) die Kellerarbeit erkären zu lassen.
Was die vier verbindet, ist ihre Liebe zum Albariño und ihr dringender Wunsch dieser Rebsorte den schlechten Ruf zu nehmen. Das Rückgrat des Albariños, der übrigens nicht wie ursprünglich vermutet vom Riesling sondern vom alten Traminer abstammt, ist seine Säure. Von Jancis Robinson wird diese als „messerscharf“ bezeichnet. Die Praktik, den Weinen die Säure zu nehmen und sie durch Fruchtsüße bekömmlicher zu machen, ist nach wie vor üblich. Das Endprodukt so hergestellter Weine ist unspannend und für eine weitere Lagerung sowieso uninteressant. Man sagt, dass sich dieser Weinstil entwickelt hat, da die Madrilener, die lange Zeit Hauptabnehmer der Weine Galiciens waren, Weine gerne fruchtsüß, wenn nicht sogar lieblich, genießen.
… und gekostet …
Winzer, wie die genannten, spielen sich jedoch gerne mit der Säure und zeigen den Charakter des Albariños mit seiner Salzigkeit und frischen Frucht. Sie toben sich mit Amphoren, neuem Holz, altem Holz, Ton und Stahl aus, um zu sehen, in welcher Ausbaumethode das Endprodukt am meisten mitnimmt. Terroir und Typizität sind ihnen dabei gleich wichtig. So sehr mich zum Beispiel der Amphoren Albariño am Weingut Albamar begeisterte, so sehr ist Xurxo von ihm enttäuscht. „Die Region schmeckt man nicht heraus,“ meint er. Mag schon sein, es ist jedoch ein großer Wein mit Tiefe, anregender Säure und einem enormen Aromaspektrum von Blumen und Steinobst, der ein langes Leben verspricht (leider noch nicht in der Flasche). Xurxo geht eigentlich lieber bewusst einen reduzierten Weg, um die Bühne der Rebsorte allein zu überlassen. Sein Keller quillt nur so über vor kleinen Fässern und anderen Gebinden. Er probiert eben gern aus, sieht sich gern die unterschiedlichen Weingärten an und experimentiert. Cuvetiert wird erst zum Schluss. Sieben Albariños und drei Rotweine kommen dabei heraus und er muss sich bemühen, das Portfolio nicht sogar noch aufzustocken. Ich kam in den Genuss, die 2015er und manch einen 2014er aus der Flasche und den gesamten Keller durchzukosten. Eine spannende Reise und ein Beweis, wie vielseitig Albariño sein kann. Beeindruckt hat mich zum Beispiel ein Albariño aus 2010, der immer noch im kleinen Stahltank verweilt. Wieso? Er will sich das mal ansehen. Der Wein hat so gar nichts mehr mit den galicischen Produkten, die am Weltmarkt zu finden sind, zu tun. Die reifen Pfirsiche und Äpfel erinnern eher an großen, gereiften Riesling, wenn da nicht die cremige Mandelnoten wären, die sich zusammen mit der salzigen Säure zum Schluss hin ein spannendes Battle geben.


Manuels Familienweingut Fulcro liegt im Meaño, einer Suberegion von Val do Salnés, welches eine Subregion von Rias Baixas ist, und umfasst Weingärten auf verschiedenen Böden. Typischerweise wachsen die Reben im Rias Baixas auf Granit. Hier im Meaño herrscht jedoch roter Schiefer vor. Weiter zum Meer hin wird es sandiger. Manuels Weine sollen den Boden widerspiegeln und werden daher jedes Jahr entweder in Stahl oder in gleich großen alten Holzfässern ausgebaut, damit er auch ja keinen bevorzugt oder in die Entwicklung eingreift. Die Weine zeigen dadurch deutlich sowohl den Jahrgang, als auch die Charakteristiken der Böden. Wie auch bei Xurxo am Tag zuvor, wurde ich durch die nussigen und toastigen Aromen so manches Mal auf die falsche Fährte geführt. Meine Vermutung, dass es sich dabei um Holztöne handelt, war gänzlich verkehrt. Selbst Weine, die nie Holz berührt haben, können eine solche Charakteristik hervorbringen.


… immer wieder genießen
Zu Fisch und Meeresfrüchten serviert brilliert frischer und junger Albariño. Unterschätzen sollte man ihn nicht. Man gebe ihm die Chance sich zu beweisen. Ein Pepe Luis von Albamar oder ein Finca de Pedreira von Fulcro haben noch einige Jahre, um sich zu entfalten. Ich freue mich jetzt schon auf den Moment, an dem ich meine Schätze aus Galicien aus dem Keller holen kann. In Österreich gibt es die spannenden Weine von Albamar und Co nur bei uvinum.at, wenn sie gerade auf Lager sind. Die Weine von Fulcro habe ich überhaupt nur in der Schweiz bei rebwein.ch gefunden. Schade. Aber Nachfrage macht ja bekanntlich den Markt.
Es sei noch kurz gesagt, dass es mir auch die erfrischenden Rotweine mit ihrer spannenden Säure angetan haben: Caiño, Mencía, Loureiro Tinto und Espadeiro haben sich jedoch einen eigenen Artikel verdient, soviel steht fest!
Kostnotizen
Albamar
Alma D Mar 2015 (10% Holz)
In der Nase erst ein bisschen verhalten mit nur einem Hauch von Exotik (Litschi, Pfirsich)
Am Gaumen überrascht er mit einem komplexen Mundgefühl, die Reise beginnt frisch und mineralisch und endet im Abgang in eine cremige Nussigkeit, grasige und salzige Noten ziehen sich durch
Pepe Luis 2015 (100% Holz)
In der Nase eine Explosion an Aromen: Feuerholz, Kamille, Heu und Zitronengras
Kamille und Heu bestätigen sich am Gaumen und werden von fruchtigen Aromen begleitet (gelber Apfel, Pfirsich), leichte Cremigkeit, voller Körper, beinahe prickelnde Säure und frisch grüner Abgang
Fulcro
Finca a Pedreira 2015 (10% Holz)
Komplexe Nase mit Ziegelstein und leichten Holztönen
Am Gaumen herrscht die Frucht vor mit Apfel und exotischen Zitrusfrüchten, leichte grüne Noten und abschließend eine resche Säure die am Gaumen bleibt
Fulcro 2014 (100% Holz)
In der Nase leicht karamellig und toastig
Am Gaumen geht er in die vegetabile und grasige Richtung, knackige Säure und nussig im Abgang