…kann man mögen oder nicht. Manchmal muss man sie aber auch einfach nur ein bisschen besser kennenlernen.
Wild sind sie ja irgendwie alle, diese Craft Brewer: Quereinsteiger mit langen Haaren oder buschigen Bärten, die mit Sprüchen auf ihren Shirts oder barfuß das Land erobern und mit viel Leidenschaft ihr Hobby zum Beruf machen. Die über Caramalz und Rohfrucht, Simcoe und Nelson Sauvin, Eiweißrasten und Bittereinheiten fachsimpeln. Die charaktervoll, außergewöhnlich, individuell und oft ein bisschen eigenwillig sind –ich mag das. An den Menschen. Und am Bier.
Erst kürzlich hatte ich wieder einmal das Vergnügen mit ein paar solch wilden Kerlen die entsprechenden Pendants zu verkosten. Alles andere als brav ging es dabei zu: Bodenständige, erdige Typen waren dabei, die so richtig auf den Tisch schlugen. Manche waren sogar so sauer, dass es selbst mir die Miene verzog. Einer hatte für meinen Geschmack schon etwas zu viel Alkohol erwischt und er wurde ganz schön aufdringlich. Im Gegensatz dazu stand mir plötzlich ein eher zurückhaltender, elegant gekleideter Charakter gegenüber. Er agierte viel taktvoller als sein Vorgänger und berichtete geduldig von seinen Erfahrungen im alten Weinfass, die ihn in den vergangenen Monaten ziemlich reifen ließen. Die weite Reise von Italien nach Österreich hat er selbst in seinem Alter noch gerne auf sich genommen und ich bin mir sicher, dass er noch lange so schöne Geschichten erzählen wird.
Dänen waren übrigens auch dabei und ein paar Norweger. Ein Deutscher mit besonders viel Pepp, entpuppte sich als wagemutiger Freigeist mit auffallender Zuneigung zu Pfefferkörnern. Ein anderer brachte ganz spontan ein paar Rote Rüben mit – das passe ja schließlich zur Jahreszeit und verleihe einen schönen Teint. Wirklich verrückt! Ein besonders indiskreter Typ dürfte wie ein Prinz auf dem Pferd angeritten sein. Das ließ zumindest sein Geruch vermuten, denn der war zwar vermutlich gewollt, aber nicht besonders betörend. Da schmeichelten mir schon eher die schokoladigen Mon Cheri Noten meines nächsten Gegenübers. Und ich muss zugeben, der war nicht der einzige, der mir den Abend versüßte.
So eine Verkostung ist schon recht gewöhnungsbedürftig und man kann natürlich auch lieber brav bleiben. Muss man aber nicht, denn die wilden Kerle sind gar nicht so schwer zu finden: Man trifft sie zB. in Salzburg beim Alchimiste Belge oder im Tribaun in Innsbruck, im Burgenland bei bierfracht.at oder in Wien an gleich mehreren Adressen. Dort sind Robby, Dirk, Clemens, Johannes & Co Menschen mit buschigen Bärten und langen Haaren, individuelle Persönlichkeiten, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben und uns jetzt damit Freude bereiten.
Sie alle sind jedenfalls irgendwie anders, haben Ecken und Kanten und fordern uns. Zu meiner Freude – denn ich mag das. An den Menschen. Und am Bier.
Kolumne erschienen im November 2015 im Craft Bier Magazin 02/2015:
Und zur Ergänzung noch ein paar wilde Verkostungsnotizen:
Kuehnes Blondes, Kuehn Kunz Rosen, Wit Bier, Deutschland. 4,9 vol
Ein klassisches Witbier nach belgischem Stil: Obergärig, mit Weizen- und Gerstenmalz, verfeinert mit Koriander und Orangenschalen, die sich sowohl in der Nase als auch am Gaumen bemerkbar machen. Fruchtig und leicht würzig. Frisch, sehr fein und süffig, jedoch gut ausgewogen, mit einer dezenten Herbe.
Baird Teikoku IPA, Baird Beer, IPA, Japan. 6 vol
Ein India Pale Ale nach englischem Vorbild. Unfiltriert und mit Hopfendolden kaltgehopft. Erdig, nussig und dezent nach reifen tropischen Fürchten. Am Gaumen sehr ausgewogen. Angenehme Bittere, gestützt von einem dichten Malzkörper, jedoch trocken und herb, nach Kräutern und reifen Zitrusfrüchten.
Chicxulub, Brew Age, Oatmeal Stout, Österreich. 5,4 vol
Fast schwarz nach Kakao und Nuss in der Nase. Röstmalze verleihen nicht nur die Farbe sondern auch eine dezente Röstbittere am Gaumen. Voll und trocken mit angenehmer Säure und samtigem Trinkfluss.
Mikkeller Spontanbeetroot, Mikkeller, fassgereiftes Sauerbier mit Rote Rüben, Dänemark. 7.7 vol
Jetzt wird’s schräg: holzfassgereift, spontanvergoren und mit Roten Rüben verfeinert. Ein erdiges Sauerbier mit vegetalen, milchigen Anklängen. Rote Rübe und helle Beeren in der Nase. Voll, cremig mit einer angenehmen Säurestruktur und leichten Bitteren am Gaumen.
Little did we know, Against the Grain/Stillwater, Saison mit Brettanomyces Hefen, Kentucky – USA. 6.8 vol
Überreife Banane, Feuerstein und präsente Rauchnoten in der Nase. Erinnernd auch an Rum und Salbei, leicht nussig. Warm, rauchig und dicht am Gaumen mit feinem Säureabschluss und angenehmer Frische.
L’ultima Luna, Del Ducato, Holzfassgereifter Barley Wine, Italien. 13 vol
Ein italienischer Barleywine, 18 Monate in französischen Amaronefässern gelagert. Erinnernd an Portwein, Dörrobst, Kletzenbrot und Marzipan, auch Lebkuchen. Kann das Bier sein? Eigenwillig, spannend und komplex. Vollmundig, jedoch kaum CO2 am Gaumen.
Alle Biere erhältlich bei www.bierfracht.at