Bier auf Wein, das lass sein. Wein auf Bier das rat’ ich dir. Neuerdings wird am Wagram nicht nur das eine sondern auch das andere hergestellt: Bier nämlich. Anlass, sich die hiesige Szene abseits des Mainstreams genauer anzusehen: Ein Lokalaugenschein mit Blick über die Grenzen – was gebraut, wo genossen und wie getrunken wird.
Aus Bier wird Craft
Bier und Wein. Über viele Jahre hinweg unterlagen beide Getränke klaren Rollenverteilungen, zuletzt scheinen sich diese jedoch zunehmend anzunähern. Da spricht man nun auch beim Bier von individuellen Geschmacksrichtungen unterschiedlicher Hopfensorten mit klingenden Namen wie Cascade, Perle und Saphir, da ist man fasziniert von der Leidenschaft der Handwerksbrauer und da trinkt man zum geschmorrten Lammrücken an Rosmarinjus statt dem Roten Veltliner auch mal ein Witbier, gebraut mit Koriander und Orangenschalen.
Steht die Genusswelt Kopf? Ist das alles nur ein Trend oder wurde das traditionsreiche Bier, das wie der Wein seit Jahrtausenden die Menschheitsgeschichte mitprägte, nicht einfach viel zu lange unterschätzt und erhält jetzt endlich seine verdiente Aufmerksamkeit? Begriffe wie Craft Bier, Handwerksbier, Kreativbier, etc. geben ihm jedenfalls eine neue Bedeutung, bringen es ins Gespräch und regen die Experimentierfreude so mancher Brauer und Verkoster an. Auch am Wagram.
Platzhirsche in Niederösterreich
Zwettler und Schremser sind den Niederösterreichern ein Begriff. Die beiden Traditionsbetriebe versorgen seine Mitbürger seit Jahrhunderten mit feinstem Bier, am liebsten mit einem leicht gehopften Pils oder einem etwas kräftigerem Märzen vom Fass. Beide Brauereien sind seit Generationen in Privatbesitz und beziehen Malz und Hopfen vorwiegend regional, aus dem nahen waldviertler Umfeld. Zudem sind sie Mitglieder der österreichweiten Vereinigung der CulturBrauer, einem Zusammenschluss von acht Privatbrauereien, in dem unter anderem auch Hirter, Trumer oder Murauer Mitglieder sind. Auf die, ist eben immer Verlass und so vertrauen auch zahlreiche Wagramer Gastronomen auf diese Familienbetriebe.
Mei Bier is ned deppad
Manche von ihnen, brauen aber sogar ihr eigenes Bier. Das Adler Bräu in Tulln zum Beispiel, das Fiakerbräu in Langenlois oder das Brauhaus Marchart in St. Andrä-Wördern. Dieses wird meist traditionell eingebraut und oft ausschließlich an der eigenen Schank verkauft. Die Gäste können sich somit über ein exklusives Geschmackserlebnis freuen. Alles aus einer Hand quasi – und einem selbstgebrauten Märzen zum traditionellen Schweinsbraten, kann so schnell nicht das Wasser gereicht werden. Apropos Wasser: Ein klassisch gebrautes Seiderl vom Fass besteht übrigens zu etwa 85 % aus Wasser und das wiederum unterstreicht die Relevanz des verwendeten Rohstoffes Wasser in der Bierherstellung.
Ein Craft Bier bitte
Gut, dass es am Wagram reichlich davon gibt. Das schätzt auch jene Gruppe an Kleinstbrauereien, die zurzeit neben den Traditionsbetrieben und den Gasthausbrauereien von sich reden machen. Meist sind die Brauer dahinter jung, unkonventionell und draufgängerisch. Und sie brauen vor allem andere Bierstile: Vom India Pale Ale (IPA) über Wit bis zum Stout oder einem Rauchbier. Der gemeine Seiderl-Trinker wird vermutlich weder mit diesen Begriffen, noch mit den sich dahinter verbergenden Geschmacksausprägungen viel anzufangen wissen. Muss auch nicht sein. Oder, was nicht ist kann ja noch werden – man darf auch ein bisserl neugierig sein. Mit Neugier hat es jedenfalls bei den meisten dieser ambitionierten Jungbrauer angefangen. Alexander Chloupek aus Ollern zum Beispiel, braut seit zwei Jahren unter dem Namen „Specht Bier“. Seine Leidenschaft dafür hat er schon früh, während seines Studiums in England entwickelt, das Brauen wiederum hat er sich vorwiegend im Selbststudium beigebracht. Demnach zählen zu seinen Lieblingsbieren auch das anglikanische Stout und das Pale Ale. Stefan Riedinger aus Fels am Wagram hat seine Liebe zu unterschiedlichen Bierstilen eher zufällig während seiner Home Brewing Experimente entdeckt. Um die steigenden Nachfrage nach regionalem Bier zu bedienen, hat er sich seine ursprüngliche Profession als Maschinenbauern zu Nutze gemacht und seine Brauanlage kurzerhand selbst gebaut. Sein Sortiment besteht mittlerweile aus mehreren Sorten, darunter das klassische Zwickl ebenso wie das hippe New England IPA. Auch nicht weit weg vom Wagram, in der „Hopfenspinnerei“ auf Schloss Walpersdorf, braut Evelyn Bäck ausgefallene Bierspezialitäten mit klingenden Namen wie Eleonora, Camillo oder Georg Ludwig. Dahinter verbergen sich saisonal wechselnde Kreativbiere wie Witbier oder Lavender Lime Ale. Die Brauerin hat’s drauf und ihr kleiner Shop ist jedenfalls einen Ausflug wert! Willkommen sind Besucher auch in der Brauerei Brauschneider in Schiltern. Der Name ist bereits über die Grenzen hinweg bekannt, nicht nur wegen des modernen Brauhauses und seiner prominenten Platzierung neben Kittenbergers Erlebnisgärten. Klassiker sind zum Beispiel das Brauschneider Hanf oder das Brauschneider Helle.
Jetzt wird getrunken
Wem jetzt vor lauter Bier, Bier, Bier bereits das Wasser im Mund zusammenläuft, der sollte sich am besten gleich auf den Weg machen: Zum Verkosten und Einkaufen beim Kirchberger Naschmarkt, nach Schiltern oder auf Schloss Walpersdorf, zum selbstgebrautem Seiderl nach Tulln, St. Andrä-Wördern oder Schiltern, für ein gepflegtes Märzen zum Wirten ums Eck oder zum Durchprobieren ins Wirtshaus im Lösshof in Großriedenthal. Dort wird zu traditionellen Wirtshausgerichten nämlich gleich eine ganze Auswahl regionaler Bierspezialitäten empfohlen – neben klassischem Hellen und Dunklen, eben auch Wit oder Stout von Hopfenspinnerei bis Specht. Regelmäßige Verkostungen inklusive. Da tut sich also was am Wagram! Und daher kann man ganz getrost sagen: Bier auf Wein, das ist fein. Wein auf Bier das rat’ ich dir!
Erschienen im Magazin Neuland Herbst/Winter 2018.