Am Anfang war die Kuh

Am Anfang jedes Semesters musste ich mir in der Volksschule aussuchen ob ich Schokoladen-, Bananen-, Erdbeer- oder Vollmilch in der Pause trinken wollte. Die wohlbekannte Schulmilch. Nicht nur der Milch wegen vermisst man diese sorglosen Tage und – ich weiß ja nicht ob es nur mir so geht – wenn ich ein Glas Milch trinke, fühle ich mich immer noch wie ein Kind. Das hat sich irgendwie aufgehört mit der Zeit. Das mit der Milch. Ich trinke ja sogar den Kaffee schwarz. Jetzt gibt es in Sachen Milch natürlich unterschiedliche Ansichten, was Gesundheit anbelangt. Trotzdem lässt der Blick ins Kühlregal keine Zweifel offen, dass sich Milchprodukte immer noch großer Beliebtheit erfreuen.

In meiner Stipendiaten Zeit unter der Fundaziun Uccelin in der Schweiz, durfte ich unter anderem eine Woche lang in einer Käserei – nämlich der Sennerei Andeer – mitarbeiten. Und da kommt täglich – Überraschung – ganz viel frische Milch an. In Milchkannen, in einer Art Leiterwagen, von den Bauern direkt vorbei gebracht. Ein Drittel der Milch wird zu den Frischprodukten verarbeitet, denen wir uns heute widmen. Ein kleiner Exkurs in die Welt der Milch!

Das Kühlregal in der Sennerei Andeer – ein Schlaraffenland für Milchliebhaber
Rohmilch vor dem Verzehr abkochen!

.. steht groß und breit an der Innenseite der Kühltür, hinter der sich eine Milchkanne voll mit frischer Rohmilch befindet. Die Kunden können ihre mitgebrachten Glasflaschen mit der Milch von heute Früh anfüllen lassen. Unpasteurisiert und roh. Daher auch der Name: Rohmilch. Wie in den guten alten Tagen. Die Milch ist in diesem Zustand noch 2-3 Tage im Kühlschrank haltbar. Verkauft wird sie nur noch ab Hof oder in Käsereien. Der Vorteil von Rohmilch ist, dass durch die Naturbelassenheit des Produktes die Nährstoffe noch komplett vorhanden sind. Der Nachteil liegt auf der Hand: es kann leichter zu Bakterienbefall kommen, wenn in der Molkerei oder der Käserei nicht hygienisch gearbeitet wird.

Frischer geht’s nicht
Molke ist nicht gleich Molke

Man ist ja ungern das fünfte Rad am Wagen und noch unangenehmer ist es, sozusagen das Abfallprodukt zu sein. Molke ist nichts anderes, als das was übrig bleibt wenn Käse gemacht wird. Übrig bleibt die Süßmolke, in der noch allerhand Zucker vorhanden ist. Durch die Fermentierung des Zuckers entsteht in weiterer Folge die Labmolke. Dann gibt es noch die Sauermolke, die scheidet aus demselben chemischen Grund aus, nur eben bei der Topfenherstellung, bei der zum Ausfällen des Milcheiweißes anstelle von Lab (Def. ein Gemisch aus den Enzymen Chymosin und Pepsin, welches aus dem Labmagen von Kälbern gewonnen wird) Milchsäurebakterien verwendet werden.

So sieht die Milch nach der Lab-Zugabe aus – man nennt dies den Käsebruch

Aber was ist da jetzt eigentlich noch in der Molke enthalten? Ist nicht alles Gute in den Käse oder den Topfen gegangen? Schauen wir uns das im Detail an: Molke besteht zu 94 % aus Wasser, zu 4 bis 5 % aus Milchzucker und ist nahezu fettfrei. Außerdem enthält sie Milchsäure, die Vitamine B1, B2 und B6 sowie Kalium, Calcium, Phosphor und andere Mineralstoffe. Molke enthält aber deutlich weniger Eiweiß als Milch. Lässt man aus der Molke noch einmal zusätzlich das Eiweiß ausscheiden, gewinnt man Milchserum und daraus werden Erfrischungsgetränke, wie zum Beispiel das schweizerische Rivella oder das österreichische Latella erzeugt. Wenn man Rivella trinkt, kommt man nicht auf den Gedanken, dass dieses kohlensäurehaltige Getränk irgendetwas mit Milch zu tun hat. Es nennt sich auch offiziell „Kohlensäurehaltiges Tafelgetränk mit 35% Milchserum“, wirbt aber mit den positiven Inhaltsstoffen von Molke. Latella geht schon mehr in die Richtung Molke und beinhaltet laut Zutatenliste „fermentierte Süßmolke“. Beides sind sehr beliebte und – laut Hersteller – gesunde Durstlöscher.

 

Aus dem Butterfass

Beim allwöchentlichem Buttern in der Molkerei begebe ich mich auf die Spuren eines weiteren Nebenproduktes: Buttermilch. Beim Schlagen des Rahms im Butterfass schließt sich der Fettteil zu einer kompakten Masse zusammen und trennt sich von der flüssigen Buttermilch. So erklärt es mir Maria Meyer von der Sennerei Andeer schon im Vorhinein aus der chemischen Sicht. Alles was ich sehe ist, wie eine leicht trübe, helle Flüssigkeit aus dem Fass kommt und der Rahm der übrig bleibt immer fester wird, bis er schlussendlich die richtige Konsistenz hat, sich Butter nennen zu dürfen. Die Buttermilch ist säuerlich, kalorienarm und enthält wenig Fett. Schon die alten Ägypter, Inder und Sumerer sollen Buttermilch, ihrer Nährhaftigkeit wegen, getrunken haben. Heute wird reine Buttermilch zum Beispiel häufig für sommerliche Fruchtshakes verwendet. Als Alternative zu Softdrinks wird auch gerne zu fertigen Frucht-Buttermilch-Produkten gegriffen, wie sie unter anderem von Ja Natürlich oder Landliebe angeboten werden.

Handgemachte Butter
Es liegt was in der Luft

Am nächsten Tag steht Joghurt an der Reihe. Neuer Tag. Neue Lehre: „Wenn man Milch bei uns stehen lässt, wird es Sauermilch. Wenn man sie in Bulgarien oder weiter östlich stehen lässt, wird es Joghurt. Die Milchsäurebakterien, die in der Luft schwirren, sind einfach verschieden.“, erklärt mir Maria. Die Milchsäurebakterien, die für das Entstehen von Joghurt verantwortlich sind, nennen sich – dem Entdeckungsland zufolge – Lactobacillus Bulgaricus. Das erklärt auch, warum Joghurt in der Küche von Ländern wie Bulgarien, Indien oder der Türkei so geläufig ist. In Indien wird schon seit Jahrtausenden ein joghurtartiges Getränk als „Lassi“ serviert. In der Türkei nennt man es „Ayran“. In beiden Fällen ist das Getränk zumeist salzig, mit Gewürzen verfeinert und mit Wasser gemischt. Durch den hohen Fettgehalt ist ein Joghurtgetränk die perfekte Begleitung zu scharfer Küche, wie sie in den erwähnten Ländern üblich ist. Die Heilwirkung von Joghurt wird in vielen alten Schriften erwähnt und die Europäer waren ganz aus dem Häuschen, als sie erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts von dem Wunderprodukt erfuhren. Die heilende Wirkung kann jedoch selten wissenschaftlich belegt werden, weshalb gesundheitliche Versprechungen auf Joghurtverpackungen seit 2012 verboten sind. Slogans wie „stärkt ihr Immunsystem“ sind seither großteils verschwunden. Man kann jedoch sehr wohl den hohen Anteil an Vitamin B2, B12 und Kalzium hervorheben.

Joghurt abfüllen

Eine Woche in der Sennerei Andeer hat mich viel gelehrt – nicht nur das frühe Aufstehen, um die Morgenmilch zu empfangen. Ein täglicher Kampf. Es war wieder einmal spannend für mich, bei Lebensmittel oder eben Getränken, die wir als selbstverständlich erachten, ein bisschen nachzuhaken und ein Verständnis für die Herstellung aufzubauen. Ich wurde an schon einmal Gelerntes erinnert und hörte andere Geschichten zum ersten Mal. Eine tolle Erfahrung, auch wenn meine Armmuskeln vom Käselaibe schleppen und Buttern eine Pause brauchen, freue ich mich schon auf meinen nächsten Besuch in der Sennerei Andeer.

Zum Abschluss muss einfach noch ein Milchbart her!! 🙂

 

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